Richtig aus der Krise

von Andrea Johanides

Die Welt ringt mit den Folgen der Coronavirus-Pandemie, aber auch der Klima-Notfall hat nichts an Dringlichkeit verloren. Nur wenn wir Umwelt und Natur in Zukunft besser schützen, sind wir als Gesellschaft langfristig krisensicher.

Die Schockwellen der Pandemie haben die Welt in den Krisenmodus versetzt. Milliardenschwere Rettungspakete leisten akute Nothilfe, um Beschäftigung zu sichern und die Wirtschaft zu schützen. „Koste es, was es wolle“, heißt es von der Bundesregierung. So richtig dieses Signal zu Beginn war, müssen wir uns als Gesellschaft schon jetzt die Frage stellen, wie wir langfristig richtig aus der Krise kommen wollen. Aktuell geht es völlig zu Recht um die Gesundheit der Menschen und den Schutz der Arbeitsplätze und Unternehmen, aber weder der Klima-Notfall noch die Biodiversitätskrise haben deswegen an Dringlichkeit verloren. Unser ökologischer Fußabdruck ist weit größer als es unserem Planeten gut tut. Klimaschädliche Emissionen verbleiben lange in der Atmosphäre und beschleunigen die Erderhitzung. Nicht umsonst waren beispielsweise die Monate Jänner bis März 2020 das wärmste 1. Quartal seit 100 Jahren in Europa. Auch der Verlust der Artenvielfalt ist dramatisch: Weltweit sind laut dem im Jahr 2019 vorgelegten Bericht des Weltbiodiversitätsrates bis zu eine Million Tier- und Pflanzenarten vom Aussterben bedroht. Zugleich warnen renommierte Umweltforscher*innen, dass „die Wahrscheinlichkeit von Pandemien mit der zunehmenden Vernichtung von Ökosystemen steigt“.

Konjunkturpakete klimafit und naturverträglich ausrichten

Die gewaltige Dimension dieser Probleme macht klar, dass es auf allen Ebenen einen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Neustart braucht. „Statt verzweifelt zu versuchen, zum Zustand vor der Corona-Krise zurückzukehren, sollte unser Ziel eine andere, bessere Wirtschaft sein“, fordert zum Beispiel EU-Klimakommissar Frans Timmermans. Ja, es braucht mehr denn je einen grünen Umbau der Wirtschaft. Den richtigen Rahmen dafür setzen ein klug umgesetzter „European Green Deal“, der Pariser Klimavertrag und die UN-Biodiversitätsziele. Daher müssen alle künftigen Konjunkturpakete klimafit und naturverträglich ausgerichtet werden. Zugleich gehören staatliche Hilfsgelder für klimaschädliche Industrien kritisch hinterfragt und an öko-soziale Kriterien geknüpft. Anstatt weiterhin bedingungslose Subventionen in ein fossiles System zu schütten, muss die Politik hier steuernd eingreifen und gezielt in Richtung des 1,5-Grad-Ziels investieren.

Wir alle lernen aus der Corona-Krise, wie wichtig vorbeugendes, entschlossenes Handeln ist. Wer daher rechtzeitig in den Schutz der Lebensgrundlagen investiert, schützt unsere Gesundheit, schafft langfristig sichere Arbeitsplätze und macht die Wirtschaft widerstandsfähiger gegenüber künftigen Bedrohungen. Die Zeit der Ausreden muss daher endlich vorbei sein, denn Investitionschancen gibt es mehr als genug. Für Österreich heißt das konkret: Klimaschutz auf allen betrieblichen Ebenen leben, den Bahnverkehr und die Radwege ausbauen, Gebäude thermisch sanieren, erneuerbare Energien wie die Photovoltaik beschleunigt ausbauen, die öko-innovative Forschung und die Kreislaufwirtschaft forcieren, unsere regionale Bio-Produktion stärken und vor allem flächendeckend in den Naturschutz investieren. Zum Beispiel, indem wir Flüsse und andere Ökosysteme besser schützen statt hart zu verbauen. Denn ohne Naturschutz und Renaturierung werden wir auch unsere Klimaziele nicht erreichen. „Eine wirksame Umweltpolitik muss den Klimawandel und den Wandel der biologischen Vielfalt gemeinsam denken“, hat zuletzt auch ein internationales Forscher*innen-Team bekräftigt.

Öko-sozial umsteuern

Diese Krise wird nicht so rasch wieder verschwinden, wie sie uns getroffen hat – ihre Folgen werden uns noch viele Jahre beschäftigen. Auch die großen Investitionsentscheidungen von heute wirken lange nach. Mehr denn je gilt es daher, an den Wurzeln der Probleme anzusetzen und einen klugen Wandel einzuleiten. Das passende Instrument dafür ist eine öko-soziale Steuerreform, die deutlich weiter gehen muss, als sie im Regierungsprogramm geplant ist: Damit sich umweltfreundliches Verhalten und nachhaltiges Investieren auszahlt. Damit fossile Subventionen gestoppt und klimaschädliche Emissionen bepreist statt begünstigt werden.

In diesem Zusammenhang müssen auch traditionelle Zugänge zum Wirtschaftswachstum und zum Bruttoinlandsprodukt überdacht werden. „Ein gutes Leben für alle in einer Postwachstumsgesellschaft“, wie es Josef Mühlbauer hier auf Umbruch skizziert, ist eine Vision, die aus heutiger Sicht vielen illusionär erscheinen mag, aber auch die Befürworter traditioneller Zugänge sollten in Alternativen denken und zumindest Verbesserungsvorschläge vorlegen. Denn Fakt ist: der weltweite Fokus auf möglichst große quantitative BIP-Zuwächse hat zu einer massiven Übernutzung unseres Planeten geführt. Der hohe Ressourcenverbrauch trägt entscheidend dazu bei, dass die Klimakatastrophe im Alltag immer spürbarer wird und das Artensterben voranschreitet - mit gravierenden Folgen für die Ökosystemleistungen, von denen wir alle abhängen. Dieser Wahrheit muss sich auch die regierende Politik stellen und das reine Wachstums-Paradigma qualitativ neu denken, anstatt überholte Vor-Krisen-Rezepte neu aufzukochen. Klar ist: Sowohl der ganzheitliche Klimaschutz als auch der Erhalt der Ökosysteme müssen im Zentrum der Wirtschaftspolitik ankommen, wenn wir langfristig resilienter werden wollen.

Auch wenn es inmitten der Krise mitunter schwer fällt, bereits an morgen und übermorgen zu denken. Aber wann, wenn nicht jetzt wollen wir alte Zugänge überdenken und einen echten Neustart wagen? Gerade Natur und Klima sind unsere zentralen Lebensgrundlagen, die wir als Gesellschaft in unserem ureigensten Interesse besser schützen müssen anstatt gedankenlos weiter auszubeuten. „Das Richtige tun, das Falsche lassen“, muss zum Leitmotiv für die Zeit nach Corona werden.

Andrea Johanides

 

Andrea Johanides ist Geschäftsführerin der Umweltschutzorganisation WWF (World Wide Fund for Nature) Österreich.

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